Musiktherapie
auditiv - heilsames Hören
Aufgrund meiner Ausbildungen durfte ich mich laut der DMtG (Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft, damals DGMT) ab 1990 offiziell "Musiktherapeut" nennen, auch wenn ich kein eigentliches Musiktherapie-Studium absolviert hatte.
So sprang ich ins "kalte Wasser", als Musiktherapeut auf einer neu eröffneten "Apalliker-Station", wie das damals hieß. In einer neurologischen Klinik, Menschen mit schwersten Hirnschädigungen und Wachkoma. Mehr dazu hier. Später setzte ich diese Tätigkeit auf einer Palliativstation fort.
Wegen meiner langjährigen Seminarerfahrung mit der Musikmeditation habe ich auch in meiner klinischen Tätigkeit den Weg des reinen Musikhörens gewählt. Also wirklich MUSIK HÖREN. Das ist bis heute nur eine Randerscheinung in der therapeutischen Landschaft. Klänge, Frequenzen, Klangschalen, Gongs, einfache Instrumente - all das habe ich NICHT angewandt. Sondern "richtige" Musik gehört - ausgewählte Stücke, die zu dem Menschen und zur Situation paßten.
Das war eine echte empirische Forschung - wie geht Hören, was macht Hören, welche Musik wirkt wann wie, welche Umstände begünstigen eine heilsame Wirkung, usw. ... Meine Erfahrungen dazu habe ich in einem sehr schönen Buch zusammengefaßt: Auditive Musiktherapie.
In diesem Buch sind zwei Publikationen von mir eingearbeitet, die ich hier kostenlos als pdf zum Download anbiete: Erfahrungen in der Auditiven Musiktherapie mit Hirngeschädigten (Musiktherapeutische Umschau) und Musik hat direkten Zugang zur Seele des Menschen (Zeitschrift Wachkoma).
Musikhören wird üblicherweise zum Bereich der rezeptiven Musiktherapie gezählt. Das ist im Falle der Auditiven Musiktherapie nicht richtig. Hier geht es um einen aktiven Vorgang.
Was macht Auditive Musiktherapie ?
Änderung der Einstellung
Die Auditive Musiktherapie fördert bewußteres Hören und schöpferisches Umgehen mit wertvoller Musik. Sie entwickelt besondere Wahrnehmungsfähigkeiten, ausgehend von der normalen Sinnestätigkeit. Die passive, konsumierende Einstellung der Musikhörer wandelt sich hin zu einer aktiven, bewußten Haltung als “nachschaffender Empfänger”, und hat damit auch einen pädagogischen Aspekt. In meinen Kursen zur AUKIMO Musikmeditation kann das erfahren werden.
Hörer tragen aktiv bei zum gesamten kreativen Prozess des “Phänomens Musik”:
- Komponieren (Musik schreiben)
- Interpretieren (Musik machen)
- Rezipieren (Musik hören).
Diese Musiktherapie-Form ist nicht zu verwechseln mit den heute in Mengen angebotenen, speziell zu therapeutischen Zwecken hergestellten Klangstrukturen, die im eigentlichen Sinne nicht zur Musik zu zählen sind.
Diese meist per Computer hergestellten Tongemische (“psycho-akustische Werkzeuge”) richten sich vorwiegend auf die körperorientierte Wirkung von Klängen, mit Ausschaltung oder Abdämpfung des Bewußtseins.
Die Auditive Musiktherapie belebt und fördert die Bewußtseinskräfte. Sie stärkt und schützt den seelisch-fühlenden Bereich des Menschen in seiner vermittelnden Rolle zwischen Körper und Bewußtsein. Und sie bringt diese Wesensmitte auf lebendige Weise in Bewegung.
Jeder der drei Bereiche: Körper - Seele - Geist hat seine eigenen Rechte, aber auch seine Grenzen und “Pflichten” gegenüber den anderen Bereichen.
Körperlich nehmen wir wahr und spüren, seelisch fühlen und empfinden wir, geistig erkennen und verstehen wir. Bewegung verbindet alle drei Bereiche. Wenn diese drei Wirklichkeiten harmonisch zusammenspielen, bedeutet das elementare Gesundheit für unsere gesamtes Sein. Dies heißt AUKIMO - audio-kinetische Modulation.
Parameter musikalischer Wirkungen - DREI ASPEKTE
Die Wirkung einer Musik hängt von vielen Faktoren ab. Diese verteilen sich auf drei Aspekte: die persönliche Situation des Hörers, das Umfeld und die Musik selbst.
1. Situation des Hörers
Für den Hörenden sind ausschlaggebend seine augenblickliche Befindlichkeit (Stimmung, psychische Resonanz und Belastbarkeit), seine Grundhaltung (Gewohnheiten, Einstellung, Erwartungen, auch die Körperhaltung) und intrapersonale Bedingungen (Lebensalter, Erinnerungen, Persönlichkeitsstruktur, Vorwissen, unterschwellig anwesende Bewußtseinsinhalte).
2. Das Umfeld
Zum Umfeld gehört die örtliche Umgebung, Geräusche, der Raum, Helligkeit, anwesende Personen, aktuelle Tageszeit und die Jahreszeit.
3. Die Musik selbst
Wirkungsspezifische Eigenschaften der gehörten Musik sind ihre
- direkt erkennbaren Eigenschaften (Lautstärke, Klangqualität, Geschwindigkeit, formale Überschaubarkeit),
- assoziative Eigenschaften (Bilder, Naturbezug, Zeit- und Raumwahrnehmung)
- ihre klangsprachlichen Eigenschaften (Eindringlichkeit, Dramaturgie, Mitteilungscharakter),
- und ganz besonders ihre emotionsaktiven Eigenschaften (Ausstrahlungskraft, emotionaler Gehalt, Berührungsintensität, Leichte, Schwere, Tiefe, Art und Qualität der Interpretation).
Mit Musikhören helfen
Wer Patienten über das Hören von Musik verläßlich helfen will, sollte wenigstens drei oder vier dieser Faktoren beachten. Die Wirkung einer Musik läßt sich dann eher abschätzen und gezielter als therapeutische Hilfe einsetzen. Eine passive Berieselung mit Klängen kann manchmal eine angenehme und "gewohnte" Atmosphäre schaffen, sollte aber grundsätzlich zeitlich begrenzt sein.
Musik spricht Seele und Geist an, und hat darüber auch eine Wirkung auf den Körper. Wer mit Musik nur das Weghören, Abschalten und leise Dahinsäuseln verbindet, hat noch niemals ihre tief heilsame Kraft erfahren und hört eigentlich nur mehr oder weniger angenehme Geräusche.
Die Bedeutung der Stille
Eine gehörte Musik entfaltet ihre Wirkung erst, wenn sie im Inneren nachklingt. Damit die Töne im Patienten nachwirken können und nicht nur die Oberfläche berühren, gibt es zum Beispiel das "dreifache Schweigen": ein (kurzes) Schweigen vor Beginn einer Musik, Schweigen während der Musik, und ein (kurzes oder auch längeres) Schweigen, nachdem der letzte Ton verklungen ist.
Erinnerungsmusik und neutrale Musik
Neben den besinnlichen, beruhigenden Werken spielen die auflockernden, heiteren und beschwingten Klänge eine wichtige Rolle. Dabei unterscheidet der Musiktherapeut sehr genau zwischen "Erinnerungsmusik", das sind Stücke, mit denen Erinnerungen an frühere Zeiten verknüpft sind, und "neutraler Musik", an der keine Erinnerungen haften.
Wer gerade in einem “psychischen Loch” steckt, braucht eine völlig andere Musik als jemand, der sich in einer Aufwärtsentwicklung befindet (und zum Beispiel nach Monaten der Lähmung die ersten Gehversuche ohne Hilfe macht).
Eine fröhlich-beschwingte Musik wird den im Loch steckenden Menschen noch tiefer hinabdrücken, und seine frühere Lieblingsmusik löst möglicherweise tiefen, kräfteverzehrenden Schmerz aus. In anderen Situationen kann so eine Erinnerungsmusik aber gerade das Richtige sein!
Den Patienten abholen
Den Patienten dort, wo er ist, abholen heißt, ihm erst einmal musikalisch ähnlich werden. Und dann nach den kleinen tönenden Schritten suchen, die stabil und sicher weiterführen.
Musik hat angstlösende Wirkung und kann Behagensempfindungen vermitteln. Musik als Ausdrucksform umfaßt alles Menschliche und kann den Einzelnen in seinem innersten Kern berühren.
Musik ist lebendige Mitteilung
Für mich als Musiktherapeut und Musikwissenschaftler ist “Musik” nicht “physikalische Schwingung” oder “Klangspektrum”, sondern lebendige Mitteilung des zwischenmenschlichen Wesens. Ich setze die hochentwickelte Technik der Musik-Konserve (Compact-Disc, Wiedergabegeräte) gezielt als Werkzeug ein, um Menschen in ihrer besonderen Lebenssituation angemessen und hilfreich begleiten zu können.
• Psychische Harmonisierung
• Entspannung oder Anregung
• Förderung der Kommunikation
• Spielerische Sammlung und Konzentration
• Stärkung des Lebenswillens
gehören zum Wirkungsspektrum dieser Therapie.
Von mir empfohlene - zeitlos gültige - Begleitliteratur:
Petersen, Peter: “Der Therapeut als Künstler” !!!!!!!!!
Junfermann Verlag Paderborn (Prof. Petersen war einer meiner Lehrer)
Dörner/Plog: “Irren ist menschlich”,
Psychiatrie Verlag Bonn
Hermann Hesse: “Musik”, hrsg. von Volker Michels,
Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main
Jochen Kirchhoff: “Klang und Verwandlung -
Klassische Musik als Weg der Bewußtseinsentwicklung”,
Kösel Verlag München
Thomas Vogel (Hrsg.): “Über das Hören - Einem Phänomen auf der Spur”
Attempto Verlag Tübingen
J.W. Ernst: “Die musische Kunst - Schlüssel der Kultur”,
Verlag für Art und Kunst Malsch (Dr. Ernst war einer meiner Lehrer)
Muthmann (Hrsg.): “Musik und Erleuchtung - Ein Lesebuch mit Texten und Zitaten zur Kunst”
Verlag Max Hieber München